Logo Kanton Bern / Canton de BerneGesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI)
18. November 2022
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Medienmitteilung der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion
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Bericht zur Psychiatriezentrum Münsingen AG liegt vor

Dem Gesundheitsamt des Kantons Bern liegen die Untersuchungsergebnisse zur Psychiatriezentrum Münsingen AG (PZM) vor. Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass das PZM ein leistungsfähiger und funktionierender Betrieb ist, der jährlich rund 3'500 Patientinnen und Patienten in hoher fachlicher Qualität behandelt. Bei der Anwendung von freiheitsbeschränkenden Massnahmen gab es strukturelle und persönliche Führungsmängel. Dies zeigte sich auch in der Anstellung von Personen aus dem Umfeld der Kirschblütengemeinschaft sowie im Umgang mit dem Thema «Dissoziative Identitätsstörung» bzw. «Täterkontakt». In der Zwischenzeit wurden die notwendigen Massnahmen ergriffen.

Das Gesundheitsamt (GA) der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) des Kantons Bern hatte Anfang Mai 2022 aufgrund von Medienberichten zu systematischen Zwangsmassnahmen im PZM eine Untersuchung angeordnet. Dafür hat es PD Dr. med. Thomas Maier, ärztlicher Direktor der Psychiatrie St. Gallen Nord, beauftragt. Ziel der Untersuchung war es, umfassend zu prüfen, ob der gemachte Vorhalt, wonach es im PZM aus Personalmangel zu einem Anstieg an «freiheitsbeschränkenden Massnahmen» (Isolation, Fixierung) gekommen sein soll, zutreffe. Teil der Untersuchungen war ebenfalls die Thematik im Zusammenhang mit der ehemaligen Beschäftigung von Personen aus dem Umfeld der Kirschblütengemeinschaft.

Ausführlicher Bericht

Der Bericht hält fest, dass das PZM eine gut funktionierende und leistungsfähige Klinik ist. Sie behandelt jährlich 3’500 Patientinnen und Patienten in hoher fachlicher Qualität. Davon leiden viele unter komplexen Erkrankungen. Rund 30 Prozent der Patientinnen und Patienten werden behördlich eingewiesen, was den höchsten Wert im Kanton darstellt.

Freiheitsbeschränkende Massnahmen:

Der Bericht zeigt auf, dass das PZM im Vergleich zu Kliniken mit ähnlicher Grösse und ähnlichem Leistungsangebot eine vergleichbare Anzahl freiheitsbeschränkende Massnahmen anordnet. Deren Dauer hat sich zwischen 2019 bis 2021 bereits verkürzt. Trotzdem sieht der Bericht noch weitere Möglichkeiten zur Reduktion von Isolationen und Fixierungen im PZM.

Die Ursachen für die Mängel an der heutigen und vergangenen Praxis bei der Anwendung von freiheitsbeschränkenden Massnahmen sind unterschiedlich. Der Bericht weist auf unzureichendes fachliches Know-how auf Stufe Oberärztinnen und Oberärzte hin, eine zu dünne ärztliche Führungsebene und auf zu wenig Sensibilität für die Brisanz des Themas auf Führungsebene bei der Leitung der Klinik für Angst und Depression bzw. in deren Ambulatorien.

Kirschblütengemeinschaft:

Der Führungsmangel auf höchster Stufe zeigte sich auch in der Anstellung von Personen aus dem Umfeld der Kirschblütengemeinschaft. Die Leitung der PZM AG hat bereits im Februar 2022 ein Expertenteam mit einer internen Untersuchung beauftragt. Die PZM AG hat die nötigen personellen Schritte bereits vollzogen. Der Bericht des GA zeigt nochmals die Zusammenhänge auf.

Dissoziative Identitätsstörung:

Ebenfalls auf Führungsmängel ist der Umgang mit dem Thema «Dissoziative Identitätsstörung; rituelle Gewalt, mind control» bzw. «Täterkontakt», zurückzuführen. Aus dem Bericht wird deutlich, dass das PZM, bzw. dessen ehemaliger ärztlicher Leiter, im Zusammenhang mit der fachlich umstrittenen Diagnose «Dissoziative Identitätsstörung» eine zu unkritische Haltung eingenommen hat. Die heutige Leitung des PZM und insbesondere die im März 2022 eingesetzte interimistische Leitung der Klinik für Angst und Depression hat dieses Manko erkannt und die richtigen Massnahmen getroffen. So darf z.B. die Diagnose einer Dissoziativen Identitätsstörung nur noch durch den Chefarzt gestellt werden, und die Therapien sind zu überwachen.

Suizidprävention:

Zusätzliche Untersuchungsfelder waren die Delegation von ärztlichen Aufgaben an Psychologinnen und Psychologen sowie die Umsetzung von Suizidprävention. Der Bericht hält fest, dass die PZM AG über ein detailliertes Suizidpräventionskonzept verfügt, das in allen Kliniken der PZM AG systematisch und kompetent angewendet wird. Beim Einsatz von Psychologinnen und Psychologen als Fallführende kommt der Experte zum Schluss, dass die Institution die anerkannten Standards erfüllt.

Empfehlungen aus dem Bericht zur PZM AG

Der Bericht empfiehlt eine personelle Verstärkung der fachlichen Führung der PZM AG. Für eine Grossklinik mit über 300 Betten seien fünf bis sechs erfahrene höhere Kaderärztinnen oder -ärzte erforderlich; für die Überwachung von ambulanten Dienstleistungen seien – je nach Umfang – weitere Kaderärztinnen und Kaderärzte erforderlich.

Die Anwendung von freiheitsbeschränkenden Massnahmen solle auf weniger Stationen als bisher beschränkt und besser kontrolliert werden. Zudem solle die Überwachung der Massnahmen verbessert und die internen Weisungen aktualisiert werden.

Bei der fürsorglichen Unterbringung (FU) sollten die internen Weisungen präzisiert werden und Behandlungspläne möglichst in Zusammenarbeit mit den Patientinnen oder Patienten erarbeitet werden.

Therapievereinbarungen sollten möglichst abgeschafft werden.

Das Kinder- und Erwachsenenschutzgericht sollte den Rechtsschutz in der Verfahren von fürsorglicher Unterbringung wirksamer und glaubwürdiger gewährleisten. In FU-Verfahren sollten die PZM-Ärztinnen und -Ärzte Gutachten zu eigenen Patientinnen und Patienten ablehnen.

Patientinnen und Patienten mit Borderline-Störungen und Dissoziativer Identitätsstörung sollten eng von Expertinnen und Experten begleitet werden.

Der Schutz und die Unterstützung von Mitarbeitenden im Falle von physischen und psychischen Verletzungen durch Patientinnen und Patienten sollte verbessert werden und niederschwelliger zugänglich sein.

Weiteres Vorgehen

Der Bericht leistet einen wichtigen Beitrag, um die in der Öffentlichkeit thematisierten Vorkommnisse bei der PZM AG zu klären und zielführende Prozesse zur Optimierung der Behandlungen anzustossen. Das Gesundheitsamt wird die Umsetzung der Empfehlungen regelmässig prüfen und in das etablierte Reporting aufnehmen.

Die PZM AG hatte bereits im ersten Halbjahr 2022 interne Untersuchungen in Auftrag gegeben, die Handlungsempfehlungen beinhalten, die das PZM bereits umgesetzt hat oder die in weitere Verbesserungsmassnahmen einfliessen.

Mediendokumentation

Video Medienkonferenz der GSI

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